Projektabklärung für Web-to-Print-, Web-to-Publish- und Marketingportale

In diesem Beitrag geht es um die strukturierte Abklärung von Kundenprojekten durch Agenturen, Systemintegratoren und Mediendienstleister für Web-to-Print-, Web-to-Publish- oder Marketingportale. Die konkrete Projektabwicklung kann in die Start-, Realisierungs- und Einführungsphase bis zum „Go-Live“ gegliedert werden.

Den Projektablauf in Phasen gliedern

Die Startphase beginnt mit der Auswahl geeigneter Projekte, die im Vorfeld anhand bestimmter Faktoren ausgewählt werden. Dazu gehören im Wesentlichen die Positiveigenschaften standardisierbare und wiederkehrende Produkte sowie automatisierbare Abläufe.

Im Rahmen eines Startworkshops sind die erforderlichen Projektparameter abzuklären, um ein erstes Angebot und Grobkonzept für ein Kundenprojekt erstellen zu können. Hier sehen sich viele Kundenberater und Projektleiter mit einer schwierigen Aufgabe konfrontiert. Denn in diesem Workshop sollten die Anforderungen in strukturierter Form mit dem Kunden besprochen werden, um diese möglichst umfassend zusammenzustellen.

Projektabwicklung für ein Web-to-Print-, Web-to-Publish- oder Marketingportal
Die erste Projektabklärung erfolgt innerhalb der Startphase gemeinsam mit dem Kunden (rot umrandeter Kasten). © Melaschuk-Medien

Im Folgenden wird eine Auswahl relevanter Anforderungen im Rahmen einer Projektabklärung vorgestellt. Die Anforderung ist jeweils als Frage des Projektleiters, also von dem Mediendienstleister als „Systembereitsteller“, formuliert. Die „Antwort“ ist beispielhaft, auf Basis eines anonymisierten Praxisfalles für ein Franchiseunternehmen und kann dann Teil einer Projektbeschreibung werden.

Praxisfall: Marketingportal für ein Franchiseunternehmen

Handelt es sich um eine geschlossenes Geschäftskundenportal (Closed-Shop) oder um einen öffentlichen Webshop (Open-Shop)?

Beide Konzepte sollen in einer einzigen Lösung realisiert werden. Eine Auswahl an nicht individualisierbaren Produkten, darunter Büro- und Streuartikel sowie Informationsmaterial, sollen in einem öffentlichen Bereich angeboten werden. Innerhalb eines weiteren, geschlossenen Portalbereichs hat nur eine bestimmte Benutzergruppe Zugang. Hier können Corporate-Design-konforme Werbematerialien und Produkte der Geschäftsausstattung individualisiert werden.

Ist ein Ausbau des Portals geplant?

Im ersten Schritt soll das Portal in Deutschland, in weiteren Ausbaustufen auch in anderen europäischen Ländern bereitgestellt werden. Alle Portale sollen mit einem einheitlichen Corporate-Design, aber länderspezifisch mit einem teilweise unterschiedlichen Produktangebot eingerichtet werden. Der deutsche Webshop bildet dabei das Hauptangebot ab, das von den Länder-Portalen übernommen, aber auch abgewandelt werden kann.

Welche Artikel sollen in dem Portal angeboten werden?

In dem Portal werden sowohl gedruckte als auch digitale Werbemittel und Produkte der Geschäftsausstattung angeboten. Zu den Werbemitteln gehören Flyer, Broschüren, Textilien, Kugelschreiber, Mousepads, Anzeigen, Plakate, und Gutscheine. Flyer und Broschüren werden in gedruckter Form und digital angeboten. Anzeigen gibt es für die Schaltung in Printprodukten und auch als Online-Banner. Die Produkte der Geschäftsausstattung umfassen Visitenkarten, Briefbogen, Schreibblöcke und Formulare.

Welche Produktionswege sollen im Portal abgebildet werden?

  • Bestellung von individualisierten Drucksachen, z.B. Flyer oder Visitenkarten.
  • Bestellung von individualisierten digitalen Produkten, wie z.B. Online-Banner oder E-Paper.
  • Bestellung von Lagerware, z.B. Kugelschreiber und Textilien oder vorproduzierte Informationsbroschüren.
  • Bestellung von Print-On-Demand-Artikeln, hier werden Drucksachen nach der Bestellung produziert, die einen hohen Aktualitätsgrad haben sollen, z.B. Bedienungsanleitungen.

In einer weiteren Ausbaustufe sind die Personalisierung für Seriendokumente und der Upload fertiger Druckdateien vorgesehen.

Angebot in einem Web-to-Print- oder Marketingportal
Bei der Projektabklärung ist mit dem Kunden das gewünschte Angebot im Marketingportal abzustimmen. © Melaschuk-Medien

Soll das System vom Dienstleister oder beim Auftraggeber gehostet werden?

Beide Varianten sind in Betracht zu ziehen, voraussichtlich soll das Hosting vom Dienstleister übernommen werden.

Wie viele Nutzer werden das Portal voraussichtlich verwenden?

Die Hauptnutzung wird zunächst durch 400 Franchisenehmer mit jeweils durchschnittlich zwei angemeldeten Benutzern in Deutschland erwartet. Es wird von einem Drittel aktiver Nutzung mit steigender Tendenz ausgegangen. Es soll außerdem ein Gastzugang für Interessierte mit vollem Funktionsumfang, aber ohne Bestellfunktion, eingerichtet werden. Weitere Zugänge werden für die Mitarbeiter der Marketingabteilung sowie der Kreativagentur benötigt.

Wer ist für die Systemadministration zuständig?

In der zentralen Marketing-Abteilung des Franchise-Unternehmens soll die Portalseite gepflegt werden, indem News und Verlinkungen zu Dokumenten eingestellt werden. Die Benutzerverwaltung in Verbindung mit den Definitionen für Rechte und Rollen erfolgt ebenfalls durch das zentrale Marketing.

Der Mediendienstleister soll in Abstimmung mit der zentralen Marketingabteilung und der Kreativagentur die Vorlagen vorbereiten und im System bereitstellen. Das Einstellen neuer Produkte im Portal erfolgt ebenfalls durch den Mediendienstleister.

Wer übernimmt den First-Level-Support?

Mitarbeiter für die Bereitstellung des sogenannten First-Level-Supports, also der ersten Anlaufstelle für die Bearbeitung und Klärung von Nutzeranfragen, stellt das Franchiseunternehmen bereit.

Soll die Benutzeroberfläche mehrsprachig sein?

Die Benutzeroberfläche soll standardmäßig in Deutsch und Englisch verfügbar sein. Weitere Sprachen sollen nach und nach ergänzt werden.

Dürfen Benutzer eigene Bilddaten hochladen?

Nutzer sollen eigene Bilddaten hochladen dürfen. Hierfür sollen dem Benutzer die Voraussetzungen angezeigt werden, darunter die minimale Auflösung und die akzeptierten Datenformate TIFF, EPS, JPEG und PDF. Nach dem Hochladen ist eine Datenprüfung vorzusehen. Mit einer „Ampelfunktion“ soll darauf hingewiesen werden, wenn die Auflösung zu gering ist. Bei der Platzierung von Bildern in der Vorlage soll es dann die Möglichkeit geben, die Auflösung durch Skalierung oder Ausschnittsveränderung anzupassen.

Wird eine Mediendatenbank benötigt?

Eine bereits vorhandene Mediendatenbank soll integriert werden. Zum einen nutzt die Marketingabteilung die Datenbank, um Bild- und Videomaterial z.B. für Pressezwecke bereitzustellen. Zum anderen sollen Nutzer in dem neuen Webportal in dem Datenbestand Medienobjekte recherchieren und in die Vorlagen einbinden können. Außerdem sollen die einzelnen Benutzer in ihren Bereichen (Accounts) eigene Medienobjekte, in der Regel Bilder, verwalten können.

Sollen Freigabeprozesse eingerichtet werden?

Nach der Bestellung der individualisierbaren Werbematerialien und Geschäftsausstattung soll die zentrale Marketing-Abteilung eine E-Mail-Benachrichtigung über die erforderliche Freigabe erhalten. Nach einer optionalen Rückgabe mit Kommentarfunktion oder der Freigabe soll der Auftrag an den Mediendienstleister oder andere Lieferanten automatisch weitergeleitet werden.

Positivfaktoren für die Auswahl geeigneter Web-to-Print- oder Web-to-Publish-Projekte
Die Vereinfachung der Korrekturprozesse kann ein Positivfaktor für die Auswahl eines Web-to-Publish-Portals sein. © Melaschuk-Medien

Sind mehrere Lieferanten im Portal einzurichten?

Es sollen mehrere Lieferanten im Portal eingerichtet werden, für die auch jeweils eigene Preise einzupflegen sind. Die Lieferanten-Ansteuerung erfolgt zum einen produktabhängig, zum anderen in Abhängigkeit bestimmter Produktionsparameter, wie zum Beispiel der Auflagenhöhe. Die Franchisenehmer in Deutschland erhalten von jedem Lieferant die Lieferung sowie eine separate Rechnung.

In den weiteren Ausbaustufen für Europa ist auch der Download der fertigen Druckdateien zu ermöglichen, damit Nutzer Druckaufträge selbst vergeben können.

Ist eine Reportingfunktion gewünscht?

Ein Reportingbereich soll detailliert Auskunft über die Systemnutzung geben. Wünschenswert sind Auswertungen nach getätigten Bestellungen, Produkten, den einzelnen Franchiseunternehmen und Nutzeraktivitäten. Individuell konfigurierbare Reports sollen als CSV-Datei exportiert werden können.

Werden Schnittstellen benötigt?

Die vorhandene Mediendatenbank soll per Schnittstelle integriert werden.

Projektparameter umfassend und strukturiert erfassen

Es ist sinnvoll, für diese Fragen eine Checkliste zu erstellen, die im Laufe der Zeit geändert und ergänzt werden kann. Damit erlangen Berater und Projektleiter mehr Sicherheit für das Kundengespräch und die Projektparameter werden so vollständig wie möglich erfasst. Damit soll verhindert werden, dass Anforderungen, und damit verbundene Kosten, erst nach und nach im Projektverlauf bekannt werden und für „Überraschungen“ sorgen.

Auf Grundlage dieser Informationen lassen sich Machbarkeit, Aufwand und Kosten für ein Web-to-Print- oder Web-to-Publish-Projekt einschätzen. Je nach Komplexität des Projektes kann die Klärung weiterer Details erforderlich sein, die in Lasten- bzw. Pflichtenheften festgehalten werden, um letztlich zu einem verbindlichen Angebot und zur Auftragerteilung zu kommen.

Autor: I. Melaschuk
Datum: 11.02.2016